Für viele war es die gelungenste Musiktheaterproduktion bzw. Künstlerpaarung in einer von Peter Oswald für das Kulturhauptstadtjahr Graz 2003 in Auftrag gegeben Reihe: „Das Theater der Wiederholungen” von Bernhard Lang, in einer Inszenierung des Choreografen Xavier Le Roy.

Langs erstes abendfüllendes Musiktheater kündigt im Titel, der Gilles Deleuze zitiert, nicht nur das konstituierende Kompositionsprinzip an, sondern verweist auch schon auf die inhaltliche Programmatik: Eine mögliche Geschichte der Grausamkeit. In drei Erzählungen aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert wurde der Blick auf den europäischen Absolutismus, den politischen Traum einer freien und humanen Welt, der mit der Gründung der USA Wirklichkeit werden sollte, und die Rückkehr zum Ausgangspunkt, nach Europa, in die Zeiten, als der alte Kontinent wieder in seinen Alpträumen versunken ist, aus denen er neuerlich von seinem real gewordenen Traum errettet werden musste: Von Amerika, das sich gerade anschickte, sich selbst in die Gewaltspirale zu verstricken.

Dramaturg Wolfgang Reiter zur Produktion: „Mit der Uraufführung von Bernhard Langs Das Theater der Wiederholungen werden wir mit einer neuen Form des Musiktheaters konfrontiert, bei der Musik nicht nur zu hören, sondern – jenseits jeder repräsentativen Darstellung – auch zu sehen ist. Le Roys Inszenierung bemüht sich konsequenterweise nicht um Interpretation, sondern um eine adäquate szenische Unterstützung des kompositorischen Materials. Sie spürt nicht möglichen narrativen Wurzeln nach, sondern führt die musikalisch schon angelegten Bewegungen im Raum fort.
Es geht um die Choreographie wiederholter Bewegungen, nicht „tänzerischer” Bewegungen, die etwas bedeuten, etwas erzählen, sondern um eine Choreographie jener Bewegungen, die MusikerInnen und SängerInnen in Ausübung ihrer Tätigkeiten immer schon vollziehen. Diese werden zu „DarstellerInnen” indem sie ihre eigenen Rolle spielen: die Rolle der Sängerin, des Musikers, des Dirigenten. So entsteht ein Feld wiederholter Bewegungen, die auf nichts anderes verweisen, als auf die Musik selbst, in der die mögliche Geschichte der Grausamkeit aufgehoben ist und jenseits eines intellektuellen Verständnisses der (kompositorisch dekonstruierten) Texte erfahrbar wird. Oder, um es in den Worten von Gilles Deleuze zu sagen: „Im Theater der Wiederholung erfährt man reine Kräfte, dynamische Bahnen im Raum, die unmittelbar auf den Geist einwirken und ihn direkt mit der Natur und Geschichte vereinen, eine Sprache, die noch vor den Wörtern spricht, Gesten, die noch vor den organisierten Körpern, Masken, die vor den Gesichtern, Gespenster und Phantome, die vor den Personen Gestalt annehmen – den ganzen Apparat der Wiederholung als ‘schreckliche Macht’.””

 

steirischer herbst 2003
Das Theater der Wiederholungen
Musiktheater in drei Erzählungen von Bernhard Lang
nach Texten von Marquis de Sade, William Burroughs, Prozessakten und Augenzeugenberichten

Foto: J.J.Kucek